Als ich mich am Morgen des 19.01.2016 mit Frau Verena Bauwens, der Referentin für Öffentlichkeitsarbeit, im Kloster treffe, weiß ich über den Orden schon einiges, über die Tätigkeiten im Mutterhaus des Ordens jedoch noch nicht ganz so viel. Neugierig höre ich ihr zu, was sie zu berichten weiß über dieses tolle Kloster, in dessen Innenhof sogar im Sommer die Aachener Dom Rose im Garten blüht und einen tollen Duft versprüht. Davon konnte ich mich am Tag der offenen Gärten im Jahr 2015 selber überzeugen. Schon damals wurden mein Mann und ich herzlich empfangen. Frau Bauwens erzählt mir, dass das Kloster in der Stadtmitte mit Sitz in der Elisabethstraße das Mutterhaus ist, in dem sich das Generalat befindet.
Das Haus ist die „geistige Heimat“ aller Schwestern, an der Zahl 218, die verteilt sind in Deutschland, Belgien und Dänemark. Die jüngste der Ordensschwestern ist 54 Jahre alt und die älteste Schwester hat ein stolzes Alter von 97 Jahren. 21 Schwestern wohnen derzeit im Mutterhaus in Aachen neben dem Generalat, also der Leitungsebene des Ordens.
Viele ehrenamtliche Helfer unterstützen den Orden auf die unterschiedlichste Art und Weise: So gibt es Helfer in der Franziska-Schervier-Stube, andere wiederum übernehmen Besuchsdienste im Altenheim oder begleiten zu Arztbesuchen oder leisten freiwillige Arbeit in der Verwaltung.
Das Kloster verfügt über 23 gemütlich eingerichtete Gästezimmer, die alle einen eigenen Namen haben. Bezüglich der Bedeutung des Zimmernamens wird man im Zimmer selber durch ein Schriftstück, welches eingerahmt an der Wand hängt, informiert. Die Zimmer laden ein, in einer Welt, in der es immer hektischer, schneller und lauter wird, zur Ruhe zu kommen.
Ich erhalte Einblicke in die Näherei, die Küche, das Brotzimmer, den Speiseraum für Gäste, die Wäscherei und in die Franziska Schervier Stube. Überall empfängt man mich sehr freundlich und heißt mich willkommen. Ich bin überwältig von den vielen fleißigen Helfern, denen ich auf meinem Rundgang durchs Haus begegne.
Beispielhaft möchte ich hier über die Franziska Schervier Stube berichten:
Seit 20 Jahren gibt es die Armenspeisung in der Franziska-Schervier-Stube. Bis Januar 1994 fand die Armenspeisung in der Toreinfahrt des Klosters statt. Aufgrund freiwerdender Räumlichkeiten ergab sich die Idee, diese freien Räume für Arme und Obdachlose zu nutzen. Und so wurde dann nach Fertigstellung der Räume die Franziska-Schervier-Stube eröffnet.
Von montags bis samstags suchen bis zu 100 Menschen die Stube auf. Frühstück gibt es zwischen 08.15 h und 11.30 h für 50 Cent. Am Sonntag übernehmen verschiedene Pfarreien in der Aachener Innenstadt diese Aufgabe.
Der eigene Sanitärbereich mit Duschen und Toiletten steht für Frauen und Männer zur Verfügung. Die dafür benötigten Körperpflegeprodukte werden vom Kloster bereitgestellt bzw. werden über Spenden finanziert. Aus der Kleiderkammer des Klosters erhalten die Besucher bei Bedarf frische Wäsche und Kleidung.
Die für das Frühstück benötigten Backwaren werden bereits seit mehreren Generationen durch die Firma Nobis Printen gespendet. Weitere Sachspenden erhält die Stube durch die sogenannte „Ein-Teil-Mehr“ Aktion. Hier geht es darum, dass die Menschen „Ein Teil Mehr“ bei ihrem Einkauf in ihren Einkaufswagen legen und dieses „Teil mehr“ dann dem Kloster gespendet wird.
Verschiedene Pfarren in der Region Aachen beteiligen sich außerdem zu St. Martin an der sogenannten Paketaktionen und zum Ernte Dank Fest unterstützen verschiedene Aachener Grundschulen in Form einer Sammelaktion.
In unserem Gespräch verrät mit Frau Bauwens, was sie persönlich hier im Orden besonders schätzt: „Das Annehmen des Alters und dass man sich nach allen Kräften einsetzt für die Gelübde. Jeder führt im Orden in Gemeinsamkeit seinen Dienst von Herzen aus. Die Gemeinschaft steht hier an erster Stelle.“
Das dürfte ganz im Sinne von Franziska Schervier, die 1819 in Aachen als Tochter eines Nadelfabrikanten geboren wurde, sein.
Der Pate von Franziska Schervier, der damalige Kaiser von Österreich, ein reicher Mann, sorgte gut für sein Patenkind. Sie besuchte die private höhere Töchterschule St. Leonhard. Franziska Schervier erkannte bereits in jungen Jahren die Probleme der nicht gut situierten Menschen, auch wenn es um die Bildung ging. Sie bat ihren Vater darum, dass die Kinder der Mitarbeiter der Nadelfabrik Unterricht erhielten, damit sie ein wenig Bildung erhielten.
Im Alter von 11 Jahren strickte Franziska Schervier für die Armen und verschenkte ihre eigenen Kleider an die soziale Unterschicht. Sie veräußert ihre reiche Aussteuer, und verteilte das Geld unter den Armen.
1840 trat Franziska dem „Frauenverein zur Unterstützung und Pflege der Armen“ bei und übernahm die Betreuung der Notleidenden in ihrer Heimatpfarre St. Paul. 1841 richtete der Kaplan der Pfarre, Josef Istas die „Johannesküche“ für die Armen in dem alten Dominikanerkloster ein. Franziska engagierte sich hier und führte die Suppenküche nach dem Tod des Kaplans Istas selbständig weiter.
Sie kümmerte sich um Wohnungen für Arbeiterfamilien, errichtet Suppenküchen, pflegte Cholera- und Pockenkranke und kümmerte sich um die Prostituierten der Stadt. Außerdem betreute sie Frauen, die sich von der Prostitution abwenden. 1843 tritt Franziska Schervier in den III. Orden des heiligen Franziskus ein.
Quelle: www.schervier-orden.de
Am 11. Mai 1845, Pfingstsonntag, entschied sich Franziska Schervier auf Drängen von Gertrud Frank, die Schritte für die Gründung der Ordensgemeinschaft einzuleiten und sie gründete gemeinsam mit 4 ihrer Gefährtinnen die Ordensgemeinschaft der Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus. Franziska Schervier pflegte kranke Menschen im Krankenhaus. Sie schickte ihre Schwestern aus, um den Kranken und Verwundeten in Lazaretten zu helfen. 1849 wird dann eine kontemplative Schwesterngruppe (Reklusen) gegründet. 1851 erfolgte seitens der Kirche die Genehmigung des „Statut für die Armen-Schwestern vom heiligen Franziskus zu Aachen“ und die ersten 24 Schwestern werden eingekleidet. 1852 erwirbt Franziska Schervier das ehemalige Klarissenkloster in der Kleinmarschierstraße in Aachen.
Sie setzte sie sich für Arme und Notleidende ein, leistete Gefangenen und Prostituierten Beistand, begleitet zum Tode Verurteilte. In dem sie sich für die Armen einsetzt, erkannte Franziska immer mehr den Willen Gottes, der sie und ihre kleine Gemeinschaft führt. Sie schreibt: „Ich erkannte so offenbar in den Armen und Leidenden meinen göttlichen Herrn, als hätte ich ihn in denselben mit leiblichen Augen gesehen.“ Dieses Wort wird ihr Leben und das Leben der Gemeinschaft prägen.
Am 14. Dezember 1876 starb Franziska Schervier, von der Bevölkerung liebevoll „Mutter der Armen“ genannt. 1974 wurde Franziska Schervier von Papst Paul VI. selig gesprochen. Ihre Grabstätte befindet sich in der Klosterkirche des Mutterhauses in Aachen. Im April 2009 wurde der Prozess der Heiligsprechung begonnen.
Bis 1876 nimmt Franziska Schervier 1087 Frauen in den Orden auf (816 in Deutschland und 271 in den USA). Sie gründete insgesamt 35 Niederlassungen in Deutschland und 4 in den USA.
Ich sage danke für diesen freundlichen Empfang, dass sie mir die Möglichkeit gegeben haben, hinter die Mauern, die eigentlich keine sind, schauen zu dürfen. Ich sage danke für die freundlichen Worte, die lächelnden Gesichter und dafür, dass es Menschen wie Euch gibt, die die Armen speisen, ein Ohr für sie haben und einen Ort, wo sie sich sichtlich wohl fühlen können.
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